Skug | November 2018

Violine, Violoncello, E-Gitarre, Sopransaxofon und Schlagzeug, nicht gerade eine handelsübliche Jazz-Besetzung. Gott sei Dank! Denn Simsa und seine Mannen warten für ihr Debüt »The Time We Need« mit allen akustischen Besonderheiten auf, die dieses Line-up bieten kann. Und das sind wahrlich nicht wenige. Die zehn Kompositionen auf dieser CD stammen alle aus der Feder von Sebastian Simsa und machen sich keinen Kopf um komplexe Harmonien oder schräge Taktarten und Rhythmen. Im Gegenteil: Die Tunes werden allesamt von wunderschönen, einprägsamen Melodien getragen, die von Stück zu Stück anders präsentiert und begleitet werden. Es gibt keinen erkennbaren Frontman, man fungiert als kompakte, gemeinsam wallende Einheit. Mancherorts hat Florian Sighartners mal weinende, mal jubilierende Violine das Ruder in der Hand (»Traumtantler«), woanders führt uns Andrej Prozorovs klares Sopransaxofon durch dick und dünn. Der sechste Mitmusiker auf dieser Platte spielt zwar kein Instrument, ist aber dennoch ein genauso wichtiges Bandmitglied: Tonmeister Werner Angerer. Er war zuvor bereits für den Wohlklang der 5/8erl in Ehr’n, Mario Roms Interzone und Shake Stew verantwortlich und holt auf »The Time We Need« aus Simas locker und offen gestimmten Trommeln die letzte Nuance (und diese Nuancen sind es, die Simsas Spiel so unglaublich sensibel und differenziert machen und seinen Sound charakterisieren), aus dem Sopransaxofon den leisesten Atemhauch und aus der Geige das feinste Kratzen heraus. Nicht selten gibt es auf der Debüt-CD dieser außergewöhnlichen Formation Momente der zerreißenden Steigerung, Zuspitzung und in unerwarteten Twists gipfelnde Strukturen, die kaum ein menschliches Haar in Ruheposition belassen. Freund*innen ebensolcher Bergfahrten sei Track Nummer 7 mit dem Titel »Mauern und Eis« ans Herz gelegt! Inspiriert durch ein Bild vom schnee- und eisbedeckten Brandenburger Tor zwischen Ost- und West-Berlin taucht auf dieser Nummer am Ende, treffsicher im Chor (dem außerdem drei der fünf Bandmitglieder angehören) eingesetzt, die eisig warme, wärmend frostige Stimme von Lena Kuchling auf und lässt aufatmen, tief einatmen. Kalte, eisige Luft, man glaubt das Stück und die Emotion inhalieren zu können. Ein Meisterwerk des emotionsnahen Komponierens und Spielens, wie es auf dieser CD absolut kein Einzelfall ist. Ebensolche, durch den vorhin gelobten Tonmeister am Silbertablett präsentierte Feinheiten ziehen sich wie ein roter Faden durch das gesamte Werk. Ein ganz tolles Beispiel dafür ist auch bei der ersten Präsentation des Themas vom »Traumtantler« zu hören; eine von Florian Sighartner auf der Geige leicht verzogene Note, die ihrem Rezensenten immer wieder einen wohligen Schauer über den Rücken schickt. Hören Sie genau hin, fokussieren Sie sich auf jedes Detail, lassen Sie sich in den Raumklang fallen und baden Sie in einem der schönsten Ensemble-Klänge, den 2018 hervorgebracht hat!

Xavier Plus – Nov 2018

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