ORF – Ö1
Jeder hat seine Funktion, seine Rolle, seine Position, seine Pose. Aus einem Rollenbild aussteigen lässt sich nur, wenn man vorher in einem drinnen war. Genau damit spielen – im mehrfachen Sinne – die Herren von Nifty´s. Sie entwerfen eine Hörerwartung, um dieser dann nicht zu entsprechen. Sie rollen den roten Teppich aus, den ihn einem dann unter den Ohren wegziehen. So kann etwa eine Einleitung federleicht wie Roberto Benigni klingen (also zwischen Zirkus und Jim Jarmusch) – um dann einem robusten Schwermetalltransporter Platz zu machen. Ein „gschlapfter“ Polka-Schritt verändert sich – fast unmerklich – und wird zum schwebenden 7er. Ein rhythmisches Versatzstück aus der Klezmer-Tradition verheißt einen fröhlichen „freijlach“, wird dann jedoch aufgehalten, und frisst sich wie eine blockierte Kreissäge in den Boden der Musik.
Nifty´s – ein Quintett. Zwei Gitarren, eine Trompete, Bass & Schlagzeug. Letztere zwei liefern, was von ihnen erwartet wird, nämlich eine dermaßen solide Grundlage, als wären sie zwei grob gefertigte, aber perfekt ineinandergreifende Zahnräder – die bringt so schnell nichts aus dem Takt. Ab und zu lösen sich die zwei allerdings voneinander, steuern melodisches Material bei und überlassen so die Grundlage, die alle haben, aber keiner festhält, sich selbst: Wie „groove“ eben funktionieren soll. Die Trompete ist das Instrument des einsamen Helden; sieghaft, aber eben immer einsam – La Strada! Il Silenzio!!! Auf der Trompete lässt es sich auch bedeutend schwieriger surfen als etwa auf einer Gitarre. (Geschweige denn zwei Gitarren – das wäre ja schon beinahe Wasserski.) Surf-Rock, jene wohl auf Grund eines „wellenähnlichen“ Gitarrenhalles so benannte Musik der 1960er, ist jedenfalls sicher eine der Inspirationsquellen. Wenn die Gitarren die vorliegende CD jedoch gleich einmal mit einem Duett beginnen, das eher virtuos stolpert als gleitet, sich also sicher nicht als Bildnis für smarte Wellenreiter eignet, dann ist das ja auch eine Stellungnahme. Gewissermaßen sich absichtlich kreuzende Wasserskier – also permanent vom Untergang bedroht. Wieso dies alles dann doch so selbstverständlich klingt, logisch wirkt, und auch vergnüglich bleibt, dürfte zunächst einmal daran liegen, dass die Band ganz einfach über meisterhaftes Handwerk verfügt, aus dem sich dann ja auch die wundervollsten Verrücktheiten bauen lassen.
Schließlich fühlt sich nifty´s Nifty verpflichtet: Naftule Brandwein (1889-1963), genannt Nifty, geboren im polnischen Galizien, gestorben in New York, war ein Klezmer, ein Musiker der jüdischen Diaspora. Brandwein spielte die Es-Klarinette, die in gewissen Musikerkreisen einfach „the screamer“ genannt wird. Er musizierte extrem und lebte extrem. Trotz seiner exzentrischen Persönlichkeit blieb seine Musik jedoch stets: nifty. elegant. attraktiv. raffiniert. schick. Das war seine Haltung: Unberechenbar – aber nie geschmacklos. Im Endeffekt geht es ja nie um einen Stil, ein Genre, oder eine sonstige Zuordenbarkeit. Im Endeffekt geht es immer um eine Haltung.
Albert Hosp – Okt. 2009