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Wer traditionellen Klezmer spielt, bittet in der Regel zum Tanz. So war und ist diese jüdische Volksmusik von jeher getaktet. Langsame, sich kontinuierlich steigernde Tempi vermögen zartes Wippen mit den Füßen, aber auch den wilden Pogo zu entfachen. Will man sich zu den Klängen und Rhythmen der österreichischen Nu-Klezmer-Band Nifty‘s lustvoll bewegen, kann es aber leicht vorkommen, dass auf eine rasante Abfahrt eine ebenso rasante Bremsung folgt. So treiben die vor vier Jahren vom Kultursender Ö1 als ‘Künstler des Jahres’ gefeierten Musiker die Hörer ihrer neusten CD „Naftularasa“ mit virtuosen Stilbrüchen entweder ins meditative Nirwana oder auf glühende Kohlen, und zwar mitunter in ein und demselben Stück. So hebt der Opener „Merry-Go-Round-The-A “ in der ersten Minute beschwingt an, um dann plötzlich in schräge Improvisationen umzukippen. Trompete und E-Gitarre wechseln sich nun als dissonante Tonangeber ab, bevor der Songs halbwegs besinnlich fortfährt und am Ende den Schwung vom Anfang wieder aufnimmt.
Der erste Song ist quasi charakteristisch für das gut 45 Minuten andauernde Achterbahn-Opus. Denn verstörende wie betörende Sequenzen wechseln sich in den acht Songs munter ab. Das wörtlich wie musikalisch verspielte „Octopussycat“ entzündet auf dem Höhepunkt ein donnerndes Schlagzeuggewitter, gepaart mit verzerrten Hardrock-Attitüden, die den Bläser dann unvermittelt zu einer anheimelnden Melodie inspirieren. Ruhiger, aber nicht weniger experimentell gehen es die fünf Musiker in „Slow Farmer“ an, das zusammen mit „Hope Bungalow“ zu den besinnlicheren Stücken zählt. „When Will We Go To Ramania?“ und der titelgebende Song „Naftularasa“ sind gefälliger und erinnern am ehesten an die Klänge ihrer ersten CD „Takeshi-Express“, auf denen sie noch traditionellere Pfade beschritten hatten.
„Naftularasa“ aber ist wirklich ein musikalisches Wagnis, das vor allem experimentierfreudige Zuhörer entzücken wird. Erst wer sie live erlebt hat, bekommt ein Gespür für diese stilistischen Rundumschläge. Hier springt jener Funke über, den die heimische Stereoanlage – geschweige denn der MP3-Player – nicht zu entfachen vermag. Die Kraft und Kreativität ihrer Kompositionen entfalten sich erst auf der Bühne. Mit Augen und Ohren lässt sich eindrucksvoll verfolgen, wie die Songs sich langsam entwickeln, immer wieder in andere Sphären hinübergleiten und schließlich wieder zu sich selbst finden. Ein lohnenswerter Ausflug für all jene, die zu Klezmer nicht nur tanzen, sondern sich auch Gedanken machen wollen.
Joerg von Bilavsky – 23. Februar 2011