Jazzzeit
Ulrich Drechsler, seines Zeichens Erfinder der Wiener Ausnahmeband Café Drechsler, hat gemeinsam mit seinen Kollegen Alex Deutsch und Oliver Steger in den letzten sieben Jahren die Jazz- und Popszene gewaltig aufgemischt. Verführt so ein Erfolgsprojekt nicht viel mehr dazu, sich den Lorbeeren hinzugeben und diese möglichst lange auszukosten? „Mein Gott, ich habe eigentlich mein ganzes Leben Dinge ausprobiert. Wenn ich mich daran erinnere, dass ich eigentlich klassische Klarinette studieren wollte …. Damit war es bald vorbei, weil mir diese Welt und das Umfeld einfach keinen Rahmen zur Umsetzung meiner künstlerischen Emotionen bieten konnte.“ Auch die Entscheidung für das Saxofon stellte in Wahrheit den Beginn einer langen und abwechslungsreichen Versuchsreihe an ihm selbst und dem Instrument dar. „Café Drechsler war eine wichtige Station, weil wir uns mit minimalistischsten Mitteln sozusagen maximal umsetzten konnten.“ Und: „Heute bin ich auch viel ruhiger geworden, und mein derzeitiges Leben, ja mein Lebensglück, das ich in den letzten Jahren gefunden habe, soll sich auch in meinem Album >Humans & Places< widerspiegeln.“
Ulrich Drechsler hat seine Liebe gefunden, hat geheiratet, ist hingebungsvoller Vater seines Jakobs, und hat sich mit dieser Produktion auch erstmals über das Komponieren getraut. „Meine derzeitige Lebenssituation hat es gleichermaßen verlangt, nun auch in musikalischer Hinsicht die Verantwortung zu übernehmen. Die neuen Stücke auf meiner CD habe ich in vier Wochen komponiert, und sie spiegeln allesamt meine Welt, meine Familie, die Menschen, die mich umgeben wider. Der Titel „1st Step“ etwa reflektiert meinen Sohn, „Where Time Stands Still“ etwa unsere Hochzeitsreise, um genau zu sein, eine kleine, verträumte Pension in Schottland.“ Wenn man sich die Muße erlaubt, beim Schreiben dieser Zeilen in das Leben von Ulrich Drechsler ein wenig hinein zu hören, dann darf man scih auch mit ihm freuen, denn „ich glaube, ich bin zurzeit ein sehr glücklicher Mensch.“ Zum Glück gehört neben den Kompositionen allerdings auch ein musikalisches Team, das mit Sicherheit zum Gelingen dieser außergewöhnlichen Produktion beigetragen hat. „Mein großer Wunsch war es, für die CD auch Tord Gustavsen gewinnen zu können. In einem Anfall von gesteigertem Selbstbewusstsein rief ich ihn einfach an, und anscheinend war es gerechtfertigt, der er sagte spontan zu, auf meiner Produktion mitzuwirken.“ Mit Oliver Steger am Bass ist ein langjähriger Weggefährte mit im Boot, und den Schlagzeuger Jörg Mikula kennt man u.a. aus der Zusammenarbeit mit Sandy Lopicic und Timna Brauer. Peter Ponger wechselt sich auf diesem Album mit Tord Gustavsen ab.
Bei aller Liebe: Wo bleibt der revolutionäre Geist des vazierenden Club-Matadors, des Szene-Aufmischers, wie kann sich das offensive Saxofon des Café Drechsler mit der Lyrik letztendlich des gesetzten Establishments anfreunden? „Nun, ich bin tatsächlich in den letzten Jahren viel ruhiger geworden. Aber grundsätzlich. Jazz & Establishment lässt sich durchaus miteinander vereinbaren. Die Zeit der Revolution ist ja definitiv vorbei. Wichtig ist, dass Musik und man selbst eins sind.“ Tatsächlich verkörpert Ulrich Drechsler eine neue Generation, einen Typus, de es in diesem Genre exzellent versteht, mit seiner Kunst und seiner Öffentlichkeit auch entsprechend harmonisch umzugehen. „Ich denke gerne an meine vielen Experimente, nenne es von mir aus auch Trial & Error, wenngleich auf hohem Niveau. Wichtig ist mir immer gewesen, egal welche, aber meine Entscheidungen und somit auch mich ernst zu nehmen.“ So auch die, mit dieser Produktion auch dem Partner in Kommunikation und Vertrieb zu vertrauen, der selbst gerade auf dem Weg ist die richtigen Entscheidungen zu treffen. „Zwischen Cracked Anegg und mir gibt es nicht zuletzt aufgrund der langjährigen künstlerischen Zusammenarbeit mit Oliver Steger eine Reihe von Synergetischen Anknüpfungspunkten. Befruchtend ist vor allem auch, dass wir alle auch im Hinblick auf die Internationalisierung unserer Projekte einer Meinung sind und auf vielen Ebenen am selben Strang ziehen.
Wolfgang Rauscher – Mai /Juni 06