Brawoo – Brass | Wood | Orchestra
Andy Haderer und seine erste wirkliche Soloplatte
Was macht ein Schwabe in Österreich? Klar: Schaffe! Zumindest Komponist, Arrangeur, Bandleader und Posaunist Markus Geiselhart lebt und arbeitet seit 2006 in und um Wien und hat die Bigband-Szene der Alpenrepublik seitdem deutlich belebt. Vice versa beim Österreicher Andy Haderer. Der lehrt an der Kölner Musikhochschule Jazz und ist seit mehr als 30 Jahren Lead-Trompeter wie auch Solist der renommierten WDR Big Band. Seine Spuren in der deutschen Jazzlandschaft: tief und lang. Beide verbindet aber nicht nur die Liebe zu Musik und Maultaschen, sondern auch das pittoreske Städtchen Baden. Denn Haderers alte Heimat ist seit ein paar Jahren zu Geiselharts neuer geworden und mit der Arbeit an der Jazz Suite, die die fast vergessene Geschichte des Wiener Neustädter Kanals erzählt, auch zum Gegenstand seines künstlerischen Schaffens.
Die WNKS ist Programmmusik, die nicht mit Melodien geizt. Wie Smetanas “Moldau”, nur eben für Big Band. Wie geht man an so ein Projekt?
Markus Geiselhart: Erst hab ich mich natürlich informiert, denn ich wusste nichts von der wirklich spannenden Geschichte des Kanals. So entstand die Gliederung in drei Sätze. Und dann hab ich halt angefangen zu schreiben. Melodien gehören da natürlich dazu. Davon kann es nie zu viel geben!
Statt Gitarre und Klavier sorgt eine Hammond Orgel für die harmonische Basis. Warum?
Markus Geiselhart: Sie ist ein fettes Begleitinstrument mit sehr eigenem Sound. Damit kann man sich gut von anderen Big Bands unterscheiden. Ich lass sie aber auch gerne mal pausieren. Das macht`s interessant.
Nun zum Solisten. Wie kam es zum Feature von Andy Haderer?
Markus Geiselhart: Ein abendfüllendes Solofeature braucht eine hohe solistische Klasse, damit es nicht langweilig wird. Dazu kommt: Andy stammt aus der Gegend. Da war die Zusammenarbeit naheliegend.
Andy Haderer: Und obwohl wir uns noch gar nicht lange kennen, verstehen wir uns musikalisch sehr gut!
Apropos Solo. Du hast an hunderten Aufnahmen mitgewirkt, aber eine echte Soloplatte von Andy Haderer gibt es nicht.
Andy Haderer: Nein und wird es so wahrscheinlich auch nicht geben. Der Grund ist: Ich wollte mich nicht auf einen Stil festlegen und spiele so viel Musik so gern. Jazzwalzer, Hip Hop-Nummer, Wienerlied und so weiter – das ließe sich nicht auf eine Platte pressen.
Das hört sich aber exakt nach einer Beschreibung der WNKS an! Zwischen Zwiefacher und Hip Hop-Groove ist ja alles dabei. Wäre ein Haderer-Soloalbum also schon ähnlich konzipiert?
Andy Haderer: Stimmt! Von dem her kann man sagen: Das ist quasi die erste Soloplatte von Andy Haderer! Ich hab’ sie nur nicht selbst geschrieben.
Dann die Frage an den Komponisten: Hast du deinem Solisten auf den Leib geschrieben und zeigst deshalb eine solche Bandbreite der Stile?
Markus Geiselhart: Klar ist, dass ein solche Suite abwechslungsreich sein muss, sonst wird es eintönig. Ich habe aber allgemein ein sehr breites Verständnis von Jazz. Das zeigt sich auch im Repertoire meiner Band, dem Markus Geiselhart Orchestra, das sich von Swing bis Rock erstreckt. Natürlich wollte ich Andy auch nicht den ganzen Abend nur Uptempo- Nummern oder nur Balladen spielen lassen.
In der breiten Wahrnehmung ist Andy Haderer ein Lead-Trompeter. Als Solist bist du aber ebenso Spitzenklasse und irritierst das Publikum geradezu mit deinem enorm breiten Klangspektrum auf Trompete und Flügelhorn. Wärst du gerne ein bekannterer Solist?
Andy Haderer: [lacht!] Ich bin zufrieden! In meinem musikalischen Umfeld fühle ich mich total wohl. Mittlerweile soliere ich mehr beim WDR, veranstalte einmal im Monat eine Session in einem Kölner Jazzclub, was sehr viel Spaß macht, und spiele natürlich auch mit meinen Studenten locker meine 10 Stunden pro Woche Jazz. Das reicht. Ich muss für nichts bekannt werden. Schön, wenn mich Leute von außen sehen als das, was ich bin: ein Trompeter.
Peter Mußler – 31.07.21