Concerto | 2
Harry groovt mit Hut
Groove ist gut. Sowieso. Groove kann nur noch besser werden. Denn Groove heißt das neue Projekt von Harry Sokal, das ihm mit dem bewährten Team um Raphael Wressnig und Lukas Knöfler zusammen bringt.
Harry Sokal ist unbestritten die amtierende Sax-Legende Österreichs. „Ach, das interessiert mich überhaupt nicht“, sagt er. „Mir ist es wichtiger, zusammen Gut- drauf-zu-Sein, Spaß miteinander zu haben.“ Seine Krone ist ein keck aufgesetztes rotes Hütchen. „Da habe ich mehrere von!“ Er besitzt auch eine Kollektion extravaganter Brillen, und sein Hobby ist das Tauchen in Weitweitweg, dort, wo die Fische schon bunt sind. Ein Technik-Freak ist er zudem, er sammelt alte Mikrophone und tüftelt gern an Sounds.
Und natürlich ist er ein Gesamtereignis. Nach jahrzehntelanger Blaserei mit u.a. Art Farmer, eigenen Projekten wie Timeless, Full Circle, Roots Ahead, freeTenors und Depart, seiner langen Mitgliedschaft beim Vienna Art Orchestra und ungezählten Kollaborationen mit der internationalen Jazz-Elite, spricht der Hans-Koller Preisträger des Jahres 2005 immer noch schnell und bestimmt, ganz so wie er spielt. „In der Kritik werde ich öfter als ,amerikanischer Saxofonist‘ beschrieben, der nur schnell und mit viel Power spielt. Das kann ich. Aber ich kann auch sehr lyrisch spielen, besonders auf dem Sopransaxofon. Und wenn ich den Jazz liebe, dann heißt das nicht, dass ich nicht auch in anderen Projekten mit mache. Ich kann Funk spielen, aber auch Rock à la Rolling Stones. Wie ein Chamäleon. Oder besser noch: wie ein Vogel, der durch die vier Jahreszeiten fliegt.“ Sagt’s und fügt ein „Na, so ungefähr!“ hinzu.
Und wer den Jazz-Bird je im Konzert erlebt hat, weiß, dass bei ihm der ganze Körper zum optischen Verstärker der Töne gerät, die aus seinem Instrument kommen. „Die Musik bringt mich halt zum Tanzen!“
Move zum Groove – Zum gemeinsamen Tanz spielt er nun mit Groove auf. In Trio-Besetzung geht es ab, und Sokal meint: „Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass ich in Trios gut zu mir finde. Der Luki kommt vom Jazz, der Raphi eher vom R&B, vom Funk und Soul. Und ich kann mich dazwischen frei bewegen, das ist eine wirkliche Herausforderung, eine Einheit zu bilden, wo es doch starke Zentrifugalkräfte gibt. Aber zusammen sind wir Groove. Das ist ein Groove, in den man sich hineinfallen lassen kann.“ Die angesprochenen „Raphi“ und „Luki“ sind natürlich Raphael Wressnig und Lukas Knöfler; beide seit Jahren bestens miteinander eingespielt. Knöfler ist die Schlagzeug spielende Konstante in den Formationen von Raphael Wressnig, der getrost als einer der weltbesten Hammond-B3-0rganisten zu bezeichnen ist. Dass er mit der fauchenden Hammond einen elegant-swingenden Soul- Jazz-Groove hinbekommt, hat er längst bewiesen. Doch die Zusammenarbeit mit Sokal fordert ihn mehr als die mit Saxofonisten wie Craig Handy oder Sax Gordon, verlangt ihm mehr ab als das Zusammenspiel mit Gitarristen wie Alex Schultz, wo sich letztendlich alles im bewährten Qualitätsrahmen des Soul-Jazz der sechziger Jahre bewegte. Denn Sokal, mit Stanley Turrentine und John Coltrane im Hinterkopf, blast energetisch, schnell. Und vor allem: er beherrscht noch die alte Kunst, mit seinem Saxofon vokalmäßig zu phrasieren. Er lässt das Horn expressiv sprechen. Das wiederum zwingt Wressnig zum Dialog, und er lässt seine Tastenwundermaschine ebenso röcheln und zischen, stöhnen und jubilieren. Sokal, Wressnig und Knöfler finden tatsächlich neue Tone für ein Retro-Genre. „Ich finde auch, dass wir eine eigene Sprache entwickelt haben. Wir spielen wirklich im Jetzt.“ Später fügt Sokal hinzu: „Heute muss immer alles neu sein. Fürchterlich. Im Sport muss man immer schneller laufen, weiter springen. Doch die eigentliche Qualität entsteht dort, wo man sich fallen lassen kann. Dort fangt bei uns der Groove an. lch kann nicht ein Haus bauen und dann sofort wieder ausziehen. Ich will wohnen, mich auf dieses Haus einlassen. Deshalb komme ich auch immer wieder auf die Klassiker des Jazz zurück.“
Der Groove und die Jazz-Klassiker, das sind Freunde, auf die man sich einlassen kann, um miteinander-gut-drauf-zu-sein. Kein Wunder, dass er sich ausdrücklich bei allen Freunden bedankt, die diesen Groove ermöglicht haben. Etwa beim Porgy & Bess, wo Teile des Live-Albums aufgenommen und abgemischt wurden. Und natürlich bei dem rührigen Label cracked anegg, dessen Chefin Sharon Anegg sich freut, mit diesem Trio ein Projekt verpflichtet zu haben, das bei Konzerten das Publikum zu Beifallsstürmen bewegt. It’s groovy!
Harald Justin – 04/05 2013