Der Standard

„Viele Leute fragen mich zurzeit, ob das das Ende des Café Drechsler ist. Natürlich nicht! Das Café Drechsler ist nach wie vor meine Cashcow.“ Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass in den besorgten Anfragen bezüglich der Zukunft des seit sechs Jahren flächendeckend die mitteleuropäischen Party- und Club-Lounges beschallenden Trios, das Ulrich Drechsler gemeinsam mit Bassist Oliver Steger und Breakbeat-Trommler Alex Deutsch betreibt, auch ein Gutteil Verblüffung mitschwingt – über die Klänge, die der aus Reutlingen nahe Stuttgart stammende, in Graz zum akademisch diplomierten Jazzer ausgebildete und seit 1999 in Wien sesshafte Aerofonist neuerdings von sich gibt.

Keine hippen Grooves.
Anstatt hipper Grooves vernimmt man da auf der CD Humans & Places (Cracked Anegg/Lotus) plötzlich weit geschwungene, eingängige Melodielinien, dezenten Puls, luzide kammermusikalische Kontrapunktik, kurzum: Musik, die sich geschmackvoll irgendwo zwischen Folklore Imaginaire und der ausgesparten Klarheit des ECM-Sounds bewegt und die, auch wenn sie heute noch ohne markante eigene Note auskommt, zumindest als entwicklungsfähiger Ansatz zu selbiger gelten kann.
„Die letzten 15 Jahre habe ich damit verbracht herauszufinden, wer ich denn musikalisch bin, um schließlich zu sehen, dass das Saxofon wie auch die Bebop-, Rockjazz- und Freejazz-Bands, in denen ich gespielt habe, nicht mein Ding sind“, beschreibt Drechsler seinen Wandlungsprozess. Zudem habe sich in den letzten Jahren das Gefühl verstärkt, dass Bassklarinette und Kontrabassklarinette „wirklich meine Instrumente“ sind. Und dass das bisher Erreichte trotz des relativen Erfolgs mit „Café Drechsler“ (Amadeus für „Radio Snacks“ 2005) „es nicht gewesen sein kann: Ich hatte mich ja noch nie getraut, etwas wirklich Eigenes zu machen und selbst Stücke zu schreiben“.

Fordernd, aber bewegend.
In Sachen Publikumsorientiertheit ist Ulrich Drechslers neues Kammerjazz-Projekt indessen nicht allzu weit vom Café-Drechsler-Prinzip entfernt. „Ich will, dass die Musik die Menschen bewegt, dass sie ihnen gefällt – wobei es immer noch Musik sein muss, die mich fordert. Ich habe mir ziemlich genau überlegt, wo ich mit dieser Musik hinwill. Ich weiß, dass Zielgruppendenken im Jazz verpönt ist – das heißt aber noch lange nicht, dass die Musik schlecht sein muss.“

Andreas Felber – 09/06

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