Die Presse
Ein Roman mit Soundtrack: Und das Café Drechsler ist zurück.
Bassist Oliver Steger hat soeben seinen eigenen Roman vertont. Und seine Erfolgsformation Café Drechsler ist versöhnt: Ein Album folgt im Sommer.
Manchmal ist es gut, wenn man in einer Krise die Dinge einfach sein lässt und etwas anderes tut. Helene weiß das. Deshalb verschwindet sie einfach – und schickt ihren frustrierten Max vermeintlich in eine Ehekrise, tatsächlich auf eine Art Schnitzeljagd: Es geht um Mexiko, Frida Kahlo und eine herausgefräste Schnitzerei aus einem Kontrabass.
So beginnt der Roman, den Jazzbassist Oliver Steger im Vorjahr veröffentlicht hat. Ein Debüt, das nur auf den ersten Blick verwundern mag. Tatsächlich hatte sich Steger langsam an das Schreiben herangetastet. Dazu gebracht hatte ihn die Progammchefin des Annette-Betz-Verlags, der sich auf musikalische Bilderbücher spezialisiert hat. In „Jazz für Kinder“ führte Steger also die Kleinsten durch hundert Jahre Jazzgeschichte. Weitere einschlägige Kinderbücher folgten.
Dabei, sagt Steger, habe er entdeckt, dass er erstens gern mit Kindern arbeite (zu den Büchern gibt es mittlerweile ein Liveprogramm), und auch, dass ihm das Schreiben Spaß mache. „Aber die Schmähs wurden mir am Ende aus den Kinderbüchern immer rauslektoriert.“ So sei der Wunsch entstanden, einmal freier – und für Erwachsenen – zu schreiben.
Autobiografische Züge sind darin zunächst unübersehbar: Protagonist Max hat im Café Helga gespielt, einer Jazzcombo, die um die Jahrtausendwende den neuen Sound der bald weltbekannten „Wiener Elektronik“ mit akustischen Instrumenten verarbeitete. „Gepaart mit der Energie live spielender Musiker kam dieser Stil beim Publikum sehr gut an“, erzählt Max über das, was in Wirklichkeit Café Drechsler hieß und von Kruder & Dorfmeister und Konsorten inspiriert war. Zehn Jahre nach dem Ende von Café Drechsler erzählt der 2016 erschienene Roman „Jazz und Frieden“ nun also die Geschichte eines Kontrabass, die mitunter ins Reich des Fantastischen abgleitet. Haruki Murakami sei dabei sein großes Vorbild, sagt Steger. „Auf meine bescheidene Art und Weise habe ich versucht, auch so etwas zu machen.“ Ein Murakami-Roman war es auch, den er eigentlich einmal mit Kollegen vertonen wollte. Man kam nicht weit, aber die Idee hielt sich und galt bald auch seinem eigenen Roman. Nun ist es so weit: Heute, Freitag, präsentiert Steger im Wiener Radiokulturhaus die CD zu „Jazz und Frieden“.
Lise Huber, Sängerin seines Bandprojekts S.O.D.A., hat dabei die Aufgabe übernommen, zu einzelnen Charakteren oder Situationen des Romans Songtexte zu schreiben, sagt Steger, er selbst halte sein Englisch für nicht ausreichend gut. Die Lieder von S.O.D.A wechseln dabei mit Jazzstandards, die Steger mit seinem anderen Projekt Triotonic und Sängerin Marina Zettl eingespielt hat. Und weil nicht nur Steger an vielen Projekten gleichzeitig arbeitet, singt bei der Präsentation der von Lise Huber geleitete „1. Wiener ,Ich kann nicht singen‘-Chor“. Nicht die Sing-, aber die Sinnkrisen des Musikerlebens – Romanfigur Max leidet an weniger werdenden Auftrittsmöglichkeiten und der Ignoranz des Radios – hat Steger auch in seinem Roman verarbeitet. Er selbst, erzählt er, habe solche Krisen vor allem just mit dem erfolgreichen Café Drechsler erlebt. In einer Band zusammenzuarbeiten sei ähnlich wie eine Beziehung zu führen – nur komplizierter. Beim Café Drechsler ging es dann auch noch um Geld, nachdem beim zweiten Album die Plattenfirma kurzfristig abgesprungen war. Man habe ziemlich gestritten und sich dann aufgelöst. Über Jahre herrschte zwischen den Gründern Ulrich Drexler, Oliver Steger und Alex Deutsch Funkstille. Umso schöner, dass man sich heute wieder versteht. Eigentlich hatten die drei nur ein paar Auftritte absolvieren wollen. Aber dann, sagt Steger, hätten plötzlich alle „mit roten Backerln“ von einem neuen Album gesprochen. Dieses Wochenende geht es ins Studio, noch vor dem Sommer soll es die Platte geben. Manchmal ist es offenbar gut, wenn man sich zwischendurch einfach auf etwas anderes konzentriert. Außerdem, so Steger, sei man heute nicht nur klüger, „wir spielen auch besser“.
Teresa Schaur-Wünsch – 03.03.2017