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Als es noch Vinyl gab, gab es auch den Sinn für eine künstlerische Cover-Gestaltung. Dieser Sinn ist fast vollständig verloren gegangen, sodass schon die künstlerische Darstellung einer Tanzenden auf dem Cover der aktuellen CD ein Hingucker ist. Nein, der französische Künstler Edgar Degas mit seiner Vorliebe für Ballerinas ist nicht zurate gezogen worden, aber es ist eine recht flott aufs Papier gebrachte Kohlezeichnung, mit der die Umrisse einer Tanzenden einfangen wurden. Mit ‚A Dancing Shape‘ liegt das Debütalbum des Trios um den Pianisten Uli Datler vor, der mit akzentuiertem Tastenspiel ganz wesentlich den Sound des Trios bestimmt. Bisweilen beschleicht den Zuhörer der Eindruck, Alexander Lackner am Bass und Christian Grobauer am Schlagzeug sind zwar anwesend, aber durchaus verzichtbar, na ja, vielleicht nicht verzichtbar, aber zumindest scheinen sie in die Komparsenrolle gedrängt worden zu sein.
Der Rezensent räumt ein, dass er eine gewisse Vorerwartung hatte, als er sich die vorliegende Einspielung vornahm. Die Schar von klassisch besetzten Jazztrios wächst und wächst. So fragt man sich, wie es eigentlich noch gelingen kann, eine eigene Note und ein eigenes Klangspiel zu entwickeln, ob eher lyrisch-poetisch oder akzentuiert-rhythmisch.
Ob sich das Trio damit einen Gefallen getan hat, nach der Bearbeitung des Beatles-Songs ‚Eleanor Rigby‘ auf dem Album gleich einen Miles-Davis-Klassiker, nämlich ‚Seven Steps to Heaven‘, folgen zu lassen, ist zu hinterfragen. Im Übrigen muss man aber neidlos anerkennen, dass Datler mit seinem dominanten Spiel auch in all den Stücken, die seiner eigenen Feder entsprungen sind, zu überzeugen versteht. ‚A dancing shape‘, das erste Stück der Einspielung entwickelt sich langsam. Erst ist in der Ferne ein satter Basston zu vernehmen, zu dem sich ein Klackklackklack dazu gesellt, das Christian Grobauer auf dem Korpus seiner Trommeln erzeugt. Dann tritt Uli Datler mit seinem ausdrucksstarken Spiel auf die Bühne und entlockt den weißen und schwarzen Tasten einen hinreißenden Klangteppich. Ohne Frage kann man sich angesichts des Schwalls an Tonfolgen und Akkorden gut vorstellen, wie die Tanzbewegungen eines modernen Ausdruckstanzes im einzelnen ausschauen. Nie gleitet das Spiel ins Lyrisch-Verspielte ab. Auch Exzesse bis hin zum Klangbrei vermeidet Uli Datler. Es groovt eher und bisweilen meint man gar, Anklänge an handgemachten Blues zu vernehmen.
Wir bewegen uns mit Datler auch bei den anderen Kompositionen auf einer Milchstraße des Klangs, der mal kürzer, mal länger aufblitzt und stets strahlend funkelt. Dahinfließende Tonsequenzen werden von scharf gesetzten Akkordakzenten unterbrochen. Zu kuschelig soll der „Tanz des Schattens“ ja nicht ausfallen. Nur für sehr kurze Momente darf auch der Bassist zum Ende von ‚a dancing shape‘ mal aus sich herausgehen und sein Fingerspiel zur Geltung bringen. Mit aufgeregtem Getrommel und „ostinatem“ Pianospiel endet die erste Nummer der aktuellen CD. Wie man mittels der Fragmentierung eines Beatles-Titels ein neuartiges Klangbild hervorrufen kann und den Zuhörer zwingt sehr genau auf das Thema zu achten, das unterstreicht das Uli Datler Trio bei ‚Eleanor Rigby‘. Zum Arrangement, so schreibt Datler, auf der CD-Hülle, sei er durch Chick Corea animiert worden. Leider führt er das nicht weiter aus. So können wir nur darüber spekulieren, was er meint. Mit sehr viel Hingabe wird die Melodie moduliert, umspielt und variantenreich verändert. Doch immer wieder kommt Datler, manchmal auch nur für wenige Takte, auf die Originalversion des Songs zurück. Anschließend hat sich das Trio einen Klassiker des Modern Jazz vorgenommen, nämlich ‚Seven Steps To Heaven‘, allerdings mit einer anderen Taktung, als sie Miles gespielt hat. So stürmt das Trio auch schneller in den Himmel als Miles Davis. Wie gesagt, derartige Bearbeitungen muss man schlicht und ergreifend mögen.
Nach dem „Himmelfahrtskommando“ geht es wieder zurück in irdische Gefilde, ins ’silent eden‘, einem Stück, das Datler seiner Liebsten gewidmet hat. Das irdische Paradies sieht Datler nämlich bei sich zuhause. Durchaus persönlich gefärbt sind auch andere Kompositionen wie ‚dedication‘, ein Song für die eigene Tochter, die unterdessen eine sehr gute Schlagzeugerin ist. Frisch erscheint diese Komposition, die auch ‚Spring‘ hätte heißen können, jedenfalls dann, wenn man den Klangfolgen aufmerksam lauscht. Mit ‚desparti‘ zelebriert die Combo fast eine Viertelstunde lang Jazz von höchster Qualität. Eigentlich böte es sich doch nun an, Solos von Bass und Schlagzeug einzubauen. Doch das scheint Datlers Sache nicht zu sein. Wieder ist alles auf das Spiel von Uli Datler konzentriert. Langsame Weisen wechseln sich mit dramatischeren Passagen ab. Der eine oder andere Chorus klingt der Schlagerwelt der 1950er Jahre entsprungen. Aber das sind sehr kurze Momente beim Zuhören. Nein, das Restaurant mit den legendären Sandwiches von Maria gibt es längst nicht mehr, lediglich Datlers Hymne auf diesen Ort. Dabei tauchen unter den Stücken der aktuellen CD erstmals auch Ansätze von Latin-Grooves auf. Zum Schluss hören wir schließlich eine getragene Ballade namens ‚I miss you too‘, von der Datler sagt, er könne sich die Musik auch als Begleitung eines französischen Schwarz-Weiß-Films vorstellen. Ob er da wohl an „Fahrstuhl zum Schafott“ gedacht hat?
Ferdinand Dupuis-Panther – Dez 2014