Jazzpodium
US-Sänger Kevin Mahogany, 56, ist seit mehr als drei Jahrzehnten auf US- und internationalen Bühnen unterwegs. Er arbeitete mit renommierten Instrumentalisten von Benny Golson über Joe Lovano bis zu Steve Wilson, spielte mehrere Alben ein, unter anderem bei Enja und Warner, und gründete 2004 ein eigenes Label. Vor Kurzem erschien bei cracked anegg records die neue Einspielung „The Vienna Affair“ mit österreichischer Besetzung.
Es sollte dann doch der Gesang sein. Kevin Mahogany, aufgewachsen in Kansas City, hatte in jungen Jahren unterschiedliche Instrumente erprobt. Das Piano war dabei, die Klarinette und das Saxofon, das er unter anderem eine Zeit lang bei Ahmad Aladeen an der Charlie Parker Academy studierte und auch bei seinem ersten Auftritt als Musiker im New Breed Jazz Orchestra von Eddie Baker spielte. Präsent war die Musik in unterschiedlichen Stilen und Variationen in der Familie schon immer gewesen, wenn es dort auch keine professionellen Musiker gab. „Mein älterer Bruder war damals derjenige, der für uns Alben einkaufte, und wir hörten sie uns dann alle zusammen an“, berichtet der Sänger. „Wir fingen in jungen Jahren an, Piano zu spielen, und entschieden uns später für verschiedene Instrumente. In meiner Familie war Musik genauso wichtig wie Mathe und Naturwissenschaften.“ An der High School spielte sich Mahogany durch unterschiedliche Big Bands und Orchester und studierte schließlich Musik und Theater an der Baker University, wo er unter anderem ein Vokalensemble gründete. Lange Zeit später, im Jahr 2001, verlieh ihm die Universität die Ehrendoktorwürde. Nach dem Studium trat er in seiner Heimatstadt mit ersten eigenen R’n’B- und Soul-Bands auf, darunter „The Appollos“ und „Mahogany“. Beim Entwickeln seiner gesanglichen Fertigkeiten orientierte er sich an Vorbildern wie Al Jarreau, Eddie Jefferson sowie Lambert, Hendricks and Ross.
In den frühen 1990er Jahren begann Mahogany, erste Alben als Leader zu veröffentlichen. Das Debut „Double Rainbow“ sowie zwei weitere CDs erschienen bei Enja Records, bevor der Sänger eine Zeit lang zu Warner wechselte. Seit jeher bestand ein großer Teil seines Repertoires aus Jazzstandards und populären Songs aus dem Fundus des Great American Songbook, von Duke Ellington bis Nat King Cole. Seiner frühen musikalischen Sozialisation entsprechend waren auch Songs aus der Motown-Ära wesentlich. „Ich hörte zunächst gar nicht besonders viel Jazz, sondern mehr populäre Musik und R’n’B. Eines der ersten Livekonzerte, die ich besuchte, war eines von James Brown. Ich wuchs in der Motown-Ära auf, hörte mir also eine Menge Songs von Marvin Gaye, Wilson Pickett, Smokey Robinson and the Miracles und solche Sachen an, später dann The Stags.“ Auch heute, so der Musiker, wolle er sich weder als Musikhörer noch als Sänger allzu viel mit musikalischen Genregrenzen befassen. „Ich höre mir alle möglichen Arten von Musik gern an. Es gibt auch kein bestimmtes Genre, auf das ich mich als Sänger festlegen würde. Ich möchte einfach gute Songs singen.“
Im Lauf der Jahre arbeitete Mahogany mit zahlreichen renommierten Instrumentalisten, darunter Kenny Barron, der schon bei seinem Debut-Album mitwirkte, Benny Golson, Joe Lovano, Ralph Moore sowie Steve Wilson. Nachdem er 2004 schließlich sein eigenes Label „Mahogany Jazz“ gegründet hatte, erschienen dort unter anderem ein Tribut an Sänger-Ikone Johnny Hartman sowie ein Album mit Big Band-Einspielungen. Die Leser des US-Magazins Downbeat wählten den Bariton mit der ebenso voluminösen Stimme wie Statur Ende der 1990er Jahre zum Sänger des Jahres. Andere US-Medien, von der NewsWeek bis zu The New Yorker, brachten dem Musiker positive Kritiken ein. In dem Robert Altman-Film „Kansas City“ hatte er 1996 einen kurzen Gastauftritt als singender Barkeeper. Mahogany war zudem verschiedentlich als Dozent tätig, etwa am Berklee College of Music in Boston, der University of Miami sowie in nationalen und internationalen Workshops oder Masterclasses.
Bereits bei einigen der ersten veröffentlichten Alben versuchte sich der Sänger vereinzelt am Schreiben eigener Stücke, etwa bei „Still Swingin‘“auf dem 1996 bei Warner erschienenen, nach ihm benannten Album. Knapp zwanzig Jahre später wollte er nun für die neue Einspielung „The Vienna Affair“ einen großen Teil der Songs selbst schreiben. „Wenn man eine Stimme hat, muss man sie irgendwann rauslassen. Man kann nur eine bestimmte Zeit lang Songs von anderen Komponisten interpretieren. Ich hatte Ideen für eigene Songs, also habe ich nun versucht, sie umzusetzen.“ Überwiegend seien die Stücke aus eigenen Erfahrungen entstanden, meint der Sänger, aus Beobachtungen oder Gehörtem. Wichtig seien ihm die Songs alle, besonders aber ein Stück von Kenny Barron, zu dem er die Lyrics schrieb. „Joanne Julia ist ein besonderer Song. Kenny Barron hat die Musik geschrieben und fragte mich, ob ich dazu Lyrics schreiben würde. Ich hatte damit damals zwar noch nicht so viel Erfahrung, entschied mich aber trotzdem dafür, das zu machen. Es war etwas Besonderes für mich, auch deswegen, weil das Stück für ihn so wichtig war.“ Da er beide persönlich kenne, habe er auch diese Erfahrung einbeziehen können, so Mahogany, und in mehreren Phasen über einige Jahre sei letztlich die nun auf dem Album eingespielte Lyrics-Version entstanden. Manch andere der eingespielten Songs, etwa „Sneak Thief“ sowie „Tilly’s Waltz“, verwendet der Sänger dagegen komplett ohne Lyrics als Basis für Scat-Soli.
Hinzu kommen wie bereits auf den früheren Alben einige Standards, etwa „Pretty Blue“ aus der Feder von Norman Simmons mit Lyrics von Joe Williams. Im Ensemble dabei sind dieses Mal mit Pianist Erwin Schmidt, Gitarrist Martin Spitzer, Bassist Joschi Schneeberger sowie Schlagzeuger Mario Gonzi vier Vertreter der österreichischen Jazzszene. Insbesondere ersterer ist auf dem Album auch einige Male mit solistischen Beiträgen zu hören. Songs mit unmittelbarem Bezug zur Stadt Wien, so Sänger Mahogany, gebe es auf dieser Einspielung zwar nicht, vorstellen könne er sich so etwas aber im Grunde schon. Zwar gebe es derzeit keine konkreten neuen Projekte, aber er sei schon mal dabei, weitere Songs zu schreiben und wolle sehen, was sich in nächster Zeit damit machen lasse. Zunächst aber stehe das aktuelle Album im Vordergrund. Seit nun schon mehr als fünfzehn Jahren sei er immer wieder in Wien, habe dort unterschiedliche musikalische Kontakte. „Ich habe hier eine lange Zeit verbracht, und auch die meisten Songs sind hier entstanden. Die Musiker, mit denen ich sie eingespielt habe, stammen aus der Stadt. Es steckt also sozusagen eine Menge Wien in dem Album.“
Christina Bauer – Juli 2015