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„Lieber Albrecht, lieber Dietrich, ich vermisse euch“. Dieses kann ich lesen, wenn ich die Verpackung aufklappe. Und das ist auch der Zusammenhang zum Titel der Platte, Brothers. Denn bei Albrecht und Dietrich handelt es sich um die Brüder der 1986 in den Niederlanden geborenen steirischen Cellistin Sophie Abraham.

Beide Brüder kamen 1993 bei einem Lawinenunglück ums Leben. Diese Platte ist das erste Solo-Album, und wirklich solo, denn als einziges Instrument ist das Cello eingesetzt worden. Nun, das mag wie ein gewagtes Experiment wirken. Laut Pressetext äußert sich die Cellistin wie folgt zu diesem Album: „Brothers“ ist ein sehr persönliches Programm: Meine zwei Brüder kamen 1993 in einer Lawine ums Leben. Die Musik auf meinem Album ist manchmal schwer, doch huldigt sie dann das Leben in seiner Schönheit umso mehr. Die Arbeit an diesem Album, ist für mich vergleichbar mit einem Pilgerweg, den man (fast) alleine geht. Man trifft viele Leute aber man begegnet noch öfter sich selbst..

So verarbeitet sie offensichtlich das geschehene Unglück und beschäftigt sich insofern mit dem Tod. Neben dem Cello und der Stimme als Teil des Instrumentariums gibt es noch Gesangstitel. Zu den Songs „Jonathan“ und „Blue & Red“ sind die Texte abgedruckt. Darüber werden Ganael (#2) und Milan van Luyn (#3) vorgestellt. Welche Rolle die Beiden bei den jeweiligen Songs einnehmen, wird nicht näher erläutert. Auf „Jonathan“ wird die Geschichte eines kleinen Vogels erzählt und „Blue & Red“ stellt die Protagonistin Gedanken vor, die sich im Umfeld von Erwachen und einem Traumland ergeben und zu einem Bild, das sie malen möchte, offensichtlich auch hier von Erinnerungen an die Brüder umgeben. Die zarte Stimme erinnert bisweilen an Suzanne Vega, ich hielte es für wünschenswert, in Zukunft mehr solcher Songs vorzustellen, denn sie sind wirklich wunderschön in der Ausführung, zusammen mit der fantasievollen Gestaltung des Cello-Spiels.

Die Instrumental-Titel besitzen einen ähnlichen Aufbau und sind bestimmt von einer mystischen Atmosphäre, man glaubt sich in der Tat, mitunter in einem Traumland wieder zu finden, in einer Art Zwischenwelt. Diese Musik ist unglaublich sensibel, man kann förmlich das Prickeln in den Fingerspitzen spüren, wenn man sich fallen lässt und vollends darauf eingeht. Trotz des emotionalen Themas wirkt es nicht düster, aber andererseits auch nicht jubilierend. Dennoch ist es eine großartige Schönheit, die mittels der Cello-Klänge verbreitet werden.

Cello solo – dazu fallen mir eigentlich spontan nur zwei andere wichtige Interpreten ein, die sich entsprechend hervortaten. Einmal ist das Wolfram Huschke, der sich innerhalb der Grenzen von Klassik, Pop und Rock bewegt und ein ebenfalls sehr spezielles Klangbild schuf, oder Eberhard Weber, der sich aus dem Jazz heraus mit seinen Solo-Platten eine eigene Welt der Fusion schuf. Bei Sophie Abraham klingt es wiederum anders. Lausche ich der Einleitung zu „Weight Of Snow“, wäge ich mich eher in Richtung der finnischen Band Apocalyptica, die ähnliche Klänge auf den Celli erzeugt. Allerdings beziehe ich mich nur auf deren ruhige Passagen. Denn die Protagonistin pflegt im Laufe der Platte eben eher diese schöpferisch-leiseren Bearbeitungen, gezupft und gestrichen. Insofern nimmt der typische Ausdruck des von der klassischen Musik geprägten Spiels des Cellos den wesentlichen Anteil ein, inklusive einiger avantgardistischer Ausflüge.

Kurzum: Die Musik dieser Platte ist einmalig, großartig, umwerfend, packend, mitreissend und emotional von großer Tiefe. Hierzu zitiere ich gern noch einmal die Pressemitteilung, wo es heisst: Dort, wo es um eine verdichtete Entstehung von Musik geht, in Verbindung von Komposition, Interpretation, Improvisation und Konzeption. Genau das hat Sophie Abraham mit Brothers perfekt vollzogen! Und so lasse ich sie abschliessend noch einmal selbst zu Wort kommen:

Es gibt viele verschiedene Zeitrechnungen.
Unsere, andere, andere die zu unseren werden.
Manche Ereignisse bestimmen unser Zeitgefühl so sehr,
dass es ein Davor und ein Danach gibt.
Und nachher ist es nie wieder so wie vorher.

Wolfgang Giese – 07.11.2021

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