Tiroler Tageszeitung
Abliegen lassen, bis es sich aufdrängt: Neues von den Strottern
Das Wienerlied lebt: bei den „Strottern“ seit über 25 Jahren und auch in ihrem neuen Album „schau di an“.
Auf die feierliche Eröffnung der Wiener Festwochen vor rund einem Monat mitsamt epischer Europa-Hymne fand sich mit Die Strottern ein passendes, weil Wiener Ende: Vom Balkon des Wiener Rathauses aus dichtete das Duo den Götterfunken in „Alle Menschen san ma zwider“ um. Sie sprachen damit wohl auch aus so mancher geschundener Lockdownseele, der die neue Normalität noch nicht geheuer ist. Die Pandemie hat Die Strottern aber nicht „zwiderer“ als eh schon gemacht: Davon überzeugen kann man sich auf ihrem neuen Album: „schau di an“ wurde vor Kurzem veröffentlicht.
Insgesamt neun Songs haben Klemens Lendl (Text, Violine) und David Müller (Gitarre), die seit nunmehr 25 Jahren hauptberuflich „strottern“, dafür neu geschrieben. Komponiert eben vor allem im „Home-Office“, aus dem sie sich in den letzten Monaten via Youtube 34-mal mit musikalischen Kommentaren meldeten. Langsam hatten sie sich die Musik für ihr neues Album erspielt, erzählen sie später, die Texte, die einmal mehr vom Wiener Autor und Dichter Peter Ahorner kommen, mussten so lange „abliegen“, bis sie sich „aufdrängen“.
Dass es sich bei den neun Songs auf „schau di an“ um gut abgehangene, ja fein austarierte Neo-Wienerlieder handelt, hört man beim ersten Hinhören. Jeder Ton, auch wenn er schief ist, sitzt. Bestes Beispiel: Der Opener „mei regenschiam“ kommt mit Gitarre, Geige und Gesang aus, doch erst die singende (besser wäre heulende) Säge gibt dem Klagelied um ein Ich, das ständig von seinem Regenschirm in der letzten Straßenbahn vergessen wird, den letzten Schliff. Dann eben in Zukunft ohne, „das fällt mir leicht“, resümiert das Ich denn „innerlich hob i’s eh gern feicht“.
Da lässt sich schon erahnen: Richtig düster wird es bei den Strottern in diesem Album nicht mehr – auch nicht beim atmosphärischen „wean um hoiba fiare“, in dem „sogar der teifl schloft“. Mehr nach Großstadtmärchen klingt auch „do bleib i liaba“, in dem sich das Ich von da „hapfn“, also vom Bett aus, in die Welt träumt.
Was bei den Strottern auch im aktuellen Album Spaß macht, heilig ist dem Duo bei ihrer Interpretation des Wienerlieds nichts: Mal lugt ein Chanson um die Ecke (bei „schwechat-paris“), oft wird es ordentlich jazzig („heazz & haxn“) – dann ist auch Platz für ausgiebige Improvisationskaskaden. In Letzterem etwa mit der Trompete (Martin Eberle), nur um dabei mantraartig zu wiederholen: „a weaner mocht des ned.“
Bei den Strottern ist alles erlaubt, inzwischen auch wieder auf der Bühne. Hier muss nichts ablieben, alles drängt sich – im positiven Sinne – auf. Jetzt fehlt nur noch ein Tiroltermin für die Präsentation der neuen Musik.
Barbara Unterthurner – 29.06.2021