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Die Aufgabe des Künstlers sei es nicht, der Verzweiflung anheim zu fallen, sondern ein Mittel gegen die Leere des Daseins zu finden. Das lässt Woody Allen Gertrude Stein in seinem Film Midnight in Paris sagen. Wenn das so ist, dann erfüllt Maria Christina auf ihrem Debütalbum The Timeless in You ihre Aufgabe als Künstlerin.
Die CD erscheint am 5. April beim österreichischen Label Cracked anEgg Records. Die Musik erinnert an einen lauen Sommerabend, an dem man mit Freunden im Garten sitzt und leichten Weißwein trinkt. Die Stimmung ist freundlich und beschwingt. Das Gespräch fließt entspannt hin und her. Schönes wird gesagt und Heiteres, manchmal mischt sich auch ein Anflug von Schwere unter das Gesagte. Das ist in Ordnung. Es gehört dazu und stört nicht. Denn so ist das Leben, und insgesamt ist es vor allem fasziniered. Wir genießen es, hier zusammen zu sitzen. Heute und jetzt ist das Leben ziemlich gut.
Die österreichische Sängerin Maria Spießberger hat in Wien und an der Kunstuniversität Graz Jazz-Gesang studiert hat. Nach Abschlus des Studium verließ sie das gemütliche, aber manchmal etwas selbstreferentielle Österreich, um ihren Master an der Manhattan School of Music bei Theo Bleckmann zu machen. In den USA stellte sich das „ß“ in ihrem Namen als unpraktisch heraus, so wurde aus Maria Spießberger der Künstlername Maria Christina.
Seit Sommer 2012 ist sie wieder zurück in Europa und hat sich in Berlin niedergelassen. Mit im Gepäck: Ihre erste CD, die sie noch in New York aufgenommen hat. Der Einfluss von Theo Bleckmanns verspielten, melancholischen Kompositionen ist auch auf The Timeless in You zu hören. Er unterstützte Maria Christina bei der Produktion des Albums; auch den einzigen nicht vom ihr komponierten Song, Static Still, hat er geschrieben. Aber Maria Christina hat ihren eigenen Stil. Ihre Musik ist heitere Gelassenheit, die schimmernde Oberfläche eines Sees an einem sonnigen Tag, die seine dunkle Tiefe immer erahnen lässt, aber nie offenbart.
Sie setzt ihre Stimme abwechslungsreich ein, ohne ihr deutlich vorhandenes technisches Können in den Vordergrund zu stellen. Ab und zu verliert sie diese Zurückhaltung für ein paar Takte. Das wirkt dann allerdings nicht aufdringlich, sondern schelmisch und verspielt. Überhaupt ist das Album von subtilen Humor durchzogen. Die schwebende Grundstimmung ihrer Kompositionen wird von ihren Musikern Steve Newcomb (Klavier), Matt Davis (Gitarre), James Shipp (Vibrafon!), Sam Anning (Bass) und Richie Barshay (Schlagzeug) mitgetragen.
Die Lyrics auf The Timeless in You stammen teilweise von Maria Christina selbst, teilweise aber auch vom amerikanischen Lyriker E. E. Cummings oder vom Beat-Poeten Frank O’Hara. Ein Text des zweiten bildet die Grundlage des fröhlichen Having a Coke with You, das Maria Christina halb gesungen, halb gesprochen vorträgt. Sie verwendet auch Texte des malenden libanesisch-amerikanischen Dichters Kahil Gibran. Der Albumtitel und das gleichnahmige Stück gehen auf diesen zurück. Gibran wurde stark vom Sufismus beeinflusst, einer auf Mystik ausgerichteten Tradition des Islam. Schön! Dem Sufismus verdanken wir nicht nur die Idee der romantischen Liebe, sondern er hat auch durch die Jahrhunderte unterschiedlichste Künstler inspiriert. So sagte etwa Miguel de Cervantes, dass sein Roman Don Quijote, immerhin eines der wichtigsten Werke der Weltliteratur, sufistische Wurzeln hat. Auch einige Lyrics der New Yorker Hipster-Band TV on the Radio sind dem Einfluss der Gedichte des persischen Sufis Dschalal ad-Din Muhammad Rumi zu verdanken.
I Remember, ein mit Loop Station umgesetztes Solostück, wirkt mit einer Unmittelbarkeit, die auf der CD sonst nirgends in dieser Intensität zu finden ist. Direkt darauf folgt die kraftvolle, instrumental-onomatopoetische Typewriter Suite, die von allen Stücken wohl am allerwenigsten zur Untermalung eines Candle-Light-Dinners geeignet ist.
Den Abschluss von Maria Christinas Debütalbum bildet May my Heart always be Open, ein Duett mit Peter Eldridge. Ein Abschluss, der den Zuhöhrer ruhig und zufrieden zurücklässt, aber auch Neugier weckt auf das, was da noch kommen wird. „May my heart always be open, may my mind always be hungry“, das ist doch auch ein Versprechen, oder?

AKI – 04.04.2013

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