hr-online.de – Mikado | CD der Woche
Das Wienerlied lebt, und es lebt anders und interessanter als man denkt, und dafür sorgt seit einiger Zeit vor allem eine Formation: das – natürlich Wiener – Duo „Die Strottern“. Der eigentümliche Name leitet sich vom Altwiener Ausdruck „Strotter“ her, was soviel wie „Gauner“ oder „Landstreicher“ bedeutet, aber auch „die nach Verwertbarem suchen“. Und genau das machen die beiden Herren Klemens Lendl (Gesang, Violine) und David Müller (Gesang, Gitarre) mit dem reichen Fundus des Wienerliedes: sie interpretieren Altes neu, setzen dabei gerne mal unerwartete und schräge Akzente, fügen dem Repertoire aber auch viel neu und selbst Komponiertes und Getextetes hinzu.
Für ihre Arbeit haben die beiden gerade Anfang des Monats einen „Amadeus“ bekommen, so eine Art österreichischer Grammy, und parallel dazu erscheint jetzt zum Kennenlernen das neue Album „I gabat ois“ (Ich gäbe alles) auch bei uns. Die Grundstruktur dieser Musik ist und bleibt auch bei den „Strottern“ der von der Gitarre begleitete Gesang, gewürzt wird das Ganze jedoch immer wieder mit entlegenerem Instrumentarium wie singender Säge, Harmonium oder Mellotron. Und natürlich geht es – wie sollte es anders sein beim Wienerlied – bissig und böse und spöttisch zu. Mehr aber noch ist es die wirklich anrührende Melancholie der ruhigen Stücke, die dieses Album auszeichnet. Da darf sich zum Beispiel in „Grüß Gott, ich bin das Wienerlied“ das selbige endlich einmal bei seinen ständig betrunkenen Interpreten beschweren, andernorts sucht der Tod nach seinem glücklicherweise auch in Wien lebenden Sohn, um ihm sein mühseliges Geschäft abzutreten. Und schließlich wird der Frage nachgegangen, was man denn um Himmelswillen mit den gerade zur Verfügung stehenden „Zehn Gulden“ anfangen soll, wobei man sich zur Lösung dieses schwerwiegenden Problems zunächst einmal ins nächste Wirtshaus begibt. Zum Denken natürlich, nicht zum Trinken. Oder vielleicht doch beides?
Zum Musikhören jedenfalls sollten Sie Mikado einschalten, täglich von 6-10 Uhr, denn da gibt’s die „Strottern“, und die „geben alles“.
Markus Hürtgen – 28.09.09