Junge deutsche Welt | Feuilleton

Aber wie sie es spielt!
Sophie Abraham brilliert am Cello

Heute mal was anderes. Oder vielleicht doch nicht ganz so anders. Normalerweise schreibe ich über klassische Musik, eine mit Ausnahme der Neuen Musik ziemlich fest umrissene Sparte. In ihr geht es tonal durchweg einheitlich zu, man kann von Gregorianik und Barock bis Bruckner und Mahler alles schön auseinanderhalten. Auch geografisch ist die sogenannte klassische Musik – wie sie bei uns nun mal in Pflege ist – weitgehend beschränkt, nämlich auf Europa, den alten Kontinent.

Nun aber Sophie Abraham aus Österreich. Soll man sagen, sie spielt Cello? Ja, soll man. Aber wie sie es spielt!  Welchen Sound – der Anglizismus in diesem einzigen Fall angebracht – in welcher Pluralität sie dem, aus dem Barock überkommenen Instrument entlockt! Sie zupft und schlägt die Saiten des „großen Stücks Holz“ (Anner Bijlsma) – als wäre es eine Gitarre. Sie streicht und streichelt sie, per Flageolette pfeift sie auf ihnen, all das elektrisch verstärkt in dem Sinn, dass sie nicht die hergebrachte Spielweise nur akustisch potenziert – sie nutzt die Spezifik der elektronischen Übertragung, es entsteht etwas neues, sie bringt es spielend, singend, sprechend, flüsternd und als Komponistin der neuen CD „Brothers“ zu Gehör.

Sie ist mit allen Wassern aller Cellosuiten von Bach gewaschen. Aber zugleich berührt vom Geist Jimi Hendrix‘, von orientalischen Wendungen, von den Loops der Minimal Music oder einfach von grandios inszenierten Szenarien im Grenzbereich des Kitschs, es ist einem egal. Die Geschichten, die Sofie Abraham, sich vielfach selbst begleitend und im Studio elektronisch bearbeitet, erzählt, sind nie langweilig, sie sind fast so lang und beinahe so abwechslungsreich wie ein gutes Leben.

Auch die Videos auf Youtube zu einzelnen Titeln: spielerisch romantische, auf tiefere Bedeutung, nicht auf Witz verzichtende Bilder von einer Musik, die erfindungsreich und kraftmusikalisch auf alles setzt, was passt, egal ob Elegie, Folkloroides, Jazz, Songs, Rock, klassische Passagen, Anklänge an Fernöstliches, an die Karibik, an Flamenco. Sie lehnt sich immer nur an, erinnert an irgend etwas, ohne es auszufüllen, sie füllt es mit sich. Und bleibt immer schön im Rahmen klassisch-romantischer Harmonik und Tonalität, nur eben rhythmisch, tänzerisch, poppig zugespitzt, ohne an einer einzigen Stelle wirklich Pop zu sein.

Zuordnen wäre schwierig, es muss auch nicht sein. Sophie Abraham spielt hochvirtuos, egal, was sie spielt, sie singt unangestrengt. Es passiert tatsächlich das in der Musik Wichtigste: Eins hört einfach nur gern zu.

Stefan Siegert – 26.10.2021

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