Liner Notes

Nun sind sie endgültig als selbstverständliche Klangfarben in der Jazzwelt angekommen, die dekadenlang als exotische Ausnahmen gehandelten Streichinstrumente. Eine junge Musikergeneration streift die Fesseln der von außen festgelegten Genregrenzen ab und lässt sich die Freude an nicht-klassischem Spiel, wiewohl an höchsten klassischen Standards geschult, an Jazz und Improvisation von einem obsolet gewordenen, akademischen Schubladensystem nicht mehr nehmen.

Dass ausgerechnet ein Schlagzeuger als Beandleader ein solcherart kammermusikalisches Ensemble formiert und mit diffizilen Klängen und Grooves versorfg, ist ein weiteres Zeichen der zeitgemäßen Durchlässigkeit in beide – nein, in viele, in allerlei – Richtungen.
Denn Sebastian Simsa legt mit „The Time We Need“ ein Album vor, welches nicht das „Ich“ seines Schlagzeugspiels, sondern das „Wir“ aller fünf Musiker in den Vordergrund stellt: Keines der Soli nimmt sich in diesen abwechslungs- und stimmungsreichen 40 Minuten allzu wichtig, die improvisierten Einzel- und Kollektivausflüge dienen – ohne sich anzudienen – stets dem Duktus und grundlegenden Material, der Farbe und Atmosphäre der jeweiligen Komposition aus des Bandleaders Feder.
Der kollektive Geist, der dieser Haltung zugrunde liegt, ist hier, als „Urtugend“ des Jazz, die Basis für mannigfaltige Bezüge und Anspielungen stilistischer Natur, die dem offenen und neugierigen musikalischen Weltbild entsprechen, welches die SIMSA FÜNF verkörpern.

Christian Muthspiel – August 2018

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