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Land der Alpen, Land, in dem die europäische Kulturhauptstadt 2009 liegt… und auch Land des „Amadeus Austrian Music Awards“, eines nationalen Musikpreises, bei dem die durch eine Jury Nominierten durch das österreichishe Publikum gewählt werden. Nominiert ist hierbei in den Kategorien „Künstler des Jahres in der Kategorie Jazz/World/Blues“, „Album des Jahres“ und „Song des Jahres“ das Duo Die Strottern – Grund genug, sich mit der Band und ihrem nächsten, im Oktober erscheinenden Album „I gabat ois“ einmal etwas näher zu beschäftigen.
Die Strottern das sind Klemens Lendl und David Müller, Jahrgang 1972 und 1974, gebürtig in Wien und Klosterneuburg. Klemens Lendl wächst in einem „leidenschaftlich musikalischem Elternhaus auf“, wechslt dann kurzzeitig in die Theorie der Musikwissenschaft, um sich nach deren Ungenügen doch wieder seiner Geige anzunehmen. Um sich der musikalischen Einbahnstraßengefahr zu erwehren beschäftigt er sich autodidaktisch mit Jazz und Pop Bands. David Müller hingegen wechselte von der Violine hin zum Klavier, bevor er es sich selbst beibrachte, die Gitarre zu zupfen. Er ist auch der Besitzer des Tontudios in Klosterneuburg, wo u.a. alle Strottern-Produktionen entstehen. Der Name des Duo Die Strottern leitet sich von dem Altwiener Ausdruck „Strotter“ ab, der für „Gauner, Landstreicher, Strauchdieb, Gelegenheitserwerb Suchende“ steht. Das Wiener Mundartwörterbuch erweitert diese Definition hin ins Kreative: „Die nach Verwertbarem suchen“. Und das machen Die Strottern – so sagen sie es selbst, im mehr oder weniger reichen Wiener Liedschatz: „Und wenn sie nichts finden, singen sie halt ihre eigenen Lieder“.
Und so leitet eine Information zur nächsten Frage über: Was, bitteschön, ist denn „das Wienerlied“? Befragen wir die Stadtinformation der Stadt Wien, so hatdas Wienerlied viele Facetten – „es kann lustig sein oder traurig, belehrend oder naiv, bitterböse oder romantisch, erzählend oder visionär … Und manchmal ist es all das zugleich. Die Themen , die das Wienerlied aufgreift, lassen sich rasch aufzählen: Liebe und Tod, der Wein und die Wienerstadt , die Erinnerung an bessere Zeiten und skurrile Begebenheiten. […] Allen Wienerliedern gemeinsam ist eine charakteristische Melodik“, die man am schnellsten erfahren könne, wenn man sie sich anhöre – oder nächsten Wien-Besuch zum „Heurigen“ gehe! Soviel an langer Einleitung für alle diesseits der Grenze, nun aber zum eigentlichen Album I gabat ois von den Strottern! „Heurigenmusik“ scheint der geneigte Hörer dort auf den ersten Eindruck hin auch zu hören, doch schon in „Zehn Guidn“ bricht der Eindruck im Mittelteil radikal durch irritierende Disharmonien. Jene Disharmonien finden sich auch in „Linz“ wieder. Das „Lumpenlied“ nach dem Text von Wilhelm Busch zitiert in diesem Sinne dann wieder (augenzwinkernd) die Tradition des Wienerliedes; „Grüß Gott, ich bin das Wienerlied“ rechnet dagegen mit dem „Heurigenlied“ ab – Textprobe gefällig: „Grüß Gott ich das Wienerlied / und woit mi bei ihna beschwean / wos sie do oiweu mochn / i kauns scho nimma hean / glaums nua weu sie saufn / dirfns mi scho rezitirn…“
Das Titellied „I gabat ois dafia“ dagegen ist eine unglaublich zarte, traurige und im wahrsten Sinne (be-)rührende Ballade (eigentlich kein guter Ausdruck), in welcher der Tod eines geliebten Menschen mehr besungen als beklagt wird. In „amoi no“ scheint diese Perspektive umgedreht und scheint die Perspektive eines alten (sterbenden?) Menschen, jedenfalls die eines Sehnsüchtigen wiederum in einer wunderbaren Zartheit einzunehmen. Der Tod ist auch das Thema des wiederum recht leisen (und mit einem Schuß schwarzen Humors marke Wien gewürzten) Liedes „Dod und dodal“, in dem der Tod, seines Berufs müde geworden, seinem Sohn „Dodal“ diesen übergibt. Mal zwinkernd, mal heiter, dann wieder melancholisch (wiederum „wienerisch melancholisch“), deutlich-charmant – in Kontrasten denkend und diese harmonisch verbindend kommen die Strottern auch im Liebeslied „Wiener Zärtlichkeiten“ daher, in dem Text und Melodie scheinbar nicht zueinander passen wollen, und die gestammelten Zärtlichkeiten doch wiederum von der Unruhe der gezupften Melodie passend begleitet werden – ein Verliebter wird die Harmonie sofort bemerken! Den Verliebten wird auch die sehnsuchtsvolle Stimme der gestrichenen Säge (!) in „Vergiss mein nicht“ zu Tränen rühren. I gabat ois von den Strottern spielt mit Kontrasten, die erst und eigentlich nur gemeinsam eine Harmonie ergeben. Man mag darin eine Erfüllung von Klischees über Wien sehen – oder doch viel mehr die Bestätigung dieser Stadt und ihres morbiden, aber gelassenen Charmes. Wenn dies also nicht nur die Urteile eines Touristen sind, wird jeder, der auch nur einen kurzen Eindruck dieser Stadt hatte, diesen in den Strottern-Liedern finden… I gabat ois geht direkt in den Bauch und ins Herz, sei es in seiner Deftigkeit oder in seiner Zartheit – und ist deswegen ein unglaubliches und wunderbares Album!
Andreas Matena – 30.07.09