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Herz, Hirn und Gesäß – Zwei neue Alben aus Österreich zollen der Free-Jazz-Legende Ornette Coleman Tribut.
Der Jazz ist längst im Zeitalter seiner Kanonisierung angekommen. Selbst die wilde, freie Musik der sechziger Jahre hat ihre Helden für die Ewigkeit hervorgebracht: John Coltrane, Cecil Taylor, Albert Ayler und Ornette Coleman, dem nun zwei CD-Hommagen unter österreichischer Beteiligung gewidmet werden: Das Ensemble c.o.d.e., in dem sich der Saxofonist Ken Vandermark aus Chicago und Max Nagl aus Gmunden duellieren, dekonstruiert in muskulöser Quartettbesetzung einige Themen von Coleman und dem nicht ganz so legendären Eric Dolphy. Der Saxophonist Wolfgang Puschnig hingegen bevorzugt für die zweite Edition seines „Alpine Aspects“ -Projekts den Orchesterdonner: er hat ein Sextett von Improvisatoren um die Amstetten Brass Band verstärkt.
Vandermark, der mit seinem eignen Ensemble bereits Umschreibungen des Free-Jazz-Urtextes vorgelegt hat, bewegt sich innerhalb vorhersehbarer Parameter: gesteigerte Saxofon-Ekstase, abstrakte Klangfarbenspiele und Noir-Balladen mit schwerem Vibrato. Das ergibt eine gute, sehr knackige Platte, aber der Gewinner des Doppelpacks ist Puschnig, der dem Kaiser Coleman neue Kleider anmisst: Die Brass Band knattert wie eine New-Orleans-Truppe auf dem Weg zum Leichenschmaus, die Solisten brechen die Kinderliedmelodien Colemans auf und zeigen, wie viel improvisatorischer Hohlraum sich hinter den simplen Motiven auftut.
Hier werden Herz, Hirn und Gesäß versöhnt.
Thomas Mießgang – November 2008