Skug | 85
Bei der Präsentation von »Das größte Glück« (DGG) im »Vatikan des Wienerlieds« (Ernst Molden), dem Wiener Volksliedwerk, bei mir mal Verblüffung: Die spielen total unverstärkt! Das Publikum ist erfrischend gemischt, der Präsentationskodex streng: Volle Beleuchtung im Prunksaal von üppigen Kristalllustern, sowie das Gebot maximaler Aufmerksamkeit inklusive strengstem Schwätzverbot. Nicht unbedingt die besten Vorraussetzungen für einen entspannten Abend. Weil das aber keine Konzertkritik werden soll nur so viel: Die Strottern machten den Rahmen der strengen Kammer vergessen und geigten, zupften und sangen sich mit subtilem Humor und Raffinesse durch die Stücke von »DGG« und mehr.
Nach der krachigen Jazzproduktion »Elegant« mit der Wiener Jazzwerksatt sind Klemens Lendl und David Müller wieder beim alten und neuen Wienerlied gelandet. Aufgenommen wurde das »DGG« an zwei Abenden im Theater am Spittelberg, wobei es eh schon ein kauziges Unterfangen ist, eine Live-CD wiederum live zu präsentieren. Mit gleich drei Stücken findet sich auf »DGG« eine kleine Hommage an den unvergleichbaren Kurt Sowinetz, dessen Platten aus den 1970er-Jahren Impulsgeber für die Hinwendung der Strottern zum Wienerlied gewesen sein sollen. Als Trüffelschweine erweisen sich die Rampensäue mit vier Soldatenliedern aus dem Ersten Weltkrieg, die nicht für sondern von den Kriegern (den »Kanonenfutter«-Einserschützen) getextet wurden und die abgründige Kehrseite des heroischen Soldatentums fühlen lassen. Mein Favorit ist der heimliche Wiener Andachtsjodler »Wann I amal stirb«, mit diesem Stück freut man sich fast schon auf’s Sterben. Zum Ausklang gibt’s fast schon Schlager-Partysause mit »A schräge Wies’n« und »Schön ist so ein Ringelspiel«, die Ode an die kleine Freude mit Hermann Leopoldis zwingender Mitgröhlmelodie.
Stefan Koroschetz – 17.12.2010