The Message

In den letzten Jahren ist es ein wenig still um mich geworden, das ist wahr. Da gabs „Du bist wie“ auf der FM4 Soundselection“ und „Emily“ – ein Track den ich mit Manuva für Inner Lunar Orbit/Project Mooncircle aufgenommen habe. Und um offen zu sein, ich hatte als Newcomer Probleme ein Label zu finden. In Österreich mag ich nicht unbekannt sein, aber was gibt unser Markt schon her? Das Interesse von Seiten der Majors bestand schon, aber keiner will sich heute noch eine Aufbauarbeit leisten. Zwischenzeitlich trat ich nach wie vor mit den Waxos auf und schuf ein Acoustic-Projekt mit den Twins, das aber nach wie vor sehr Rap-verbunden war. Meine Ambitionen, das klassische Rapsegment zu verlassen begannen schon beim Super City Soundsystem, da entstand der Wunsch, ein Bandprojekt ins Leben zu rufen, das Musikalität in den Vordergrund stellt. Mit Brenk, der meine LP produziert, ist vom Material und vom Sound her eine weitere Basis dafür geschaffen worden. Mir war es wichtig, all meine Talente in mein Schaffen zu integrieren, d.h. auch mehr Gesang zuzulassen, was ja nicht unbedingt für einen typischen Rap-Act spricht. Ich habe Sachen einfach mal zugelassen und auch meine Klappen aufgemacht, was nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit soviel großartigen Musikern, wie ich sie um mich habe, bewirkt wurde. Deshalb hat sich mein Stil seit der Symbiose oder dem Super-City-Ding weiterentwickelt. Ich will nicht immer derselbe Joseph sein, weil es nicht interessant ist. Weder für mich, noch für alle anderen. Zum Bohemien Der Begriff des Bohemien ist letztlich nichts anderes als eine Kunstfigur, mit der ich verständlich machen möchte, dass ich Rap als Kunst verstehe. Ich versuche, mich nicht in Rap-Genres einsperren zu lassen. Inspiration kennt keine Grenzen. Für mich ist es nur wichtig, etwas Stimmiges zu schaffen, das unmissverständlich ist, musikalisch als auch visuell. Die kommende LP wird den Namen „Strictly VIEntage“ tragen. Der Titel ist von Brenks Sound beeinflusst, der eher Sample-lastig ist, was ja in heutigen Produktionen eher selten vorkommt und einfach vintage klingt. Um das alles auch visuell zu unterstützen, kam mir die Idee, uns graphisch am Art Deco zu orientieren, die Zeit, in der das Vie de Bohemien den Flair ausmachte. In weiterer Folge geht es auch um Wien, neben Paris die Stadt, in der diese Kunstform entstand. Etwas kreieren, das auch entgegen den momentanen Regeln des Marktes funktionieren kann. Eine Art avantgardistische Denkweise, ein bewusster Gegensatz zum derzeit dominanten Synthie-Sound. Das Interesse für Art Deco entspringt meiner persönlichen Begeisterung für Kunst. Im Prozess des Grübelns, wie ich den Zuhörern dieses generelle Interesse für Kunst näher bringen könnte, kam ich über die Puccini-Oper auf die Figur des Bohemien. Davon abgeleitet geht es um Poesie im weitesten Sinne, um Texte. Natürlich bin ich nicht derjenige, der im Caféhaus sitzt und sinniert. Grafisch orientiere ich mich auch an der Wiener Werkstätte, ließ mich davon inspirieren. Der Bohemien ist eine Kunstfigur und soll keineswegs anstiften, diese Zeit genau zu beleuchten, das ist nicht unbedingt meine Absicht. Orientierungssinn Die Ausrichtung ist deutschsprachig international gehalten. Ich möchte mich nicht limitieren, weder regional noch stilistisch. In Zukunft möchte ich eigentlich nur mehr mit Band spielen; bis auf ein paar wenige Ausnahmen, und dabei ein Projekt schaffen, das sich über das gängige HipHop-Verständnis hinwegsetzt. Meine jetzige Herangehensweise ist eher noch mit Artists wie Clueso oder Max Herre vergleichbar, obwohl ich meine Sachen doch anders wahrnehme. Nicht so glatt, womit ich die Songs der genannten Künstler nicht gering schätze. Mir ist bewusst, dass ich viel verlange, besonders von meinem Publikum, aber das ist nun mal mein Verständnis von Musik und von Kunst generell. Mir ist nicht daran gelegen, die Leute zu verwirren, aber als Künstler möchte ich einfach die größtmögliche Freiheit genießen. Mir persönlich bringt es nichts, all meine Interessen auf einer Platte unterbringen zu müssen. Die „Deph’n Mez“ EP Entstanden ist das Stück in der Zeit, als ich mit Brenk an unserem LP-Material gearbeitet habe. Nachdem die Idee aufkam, verstärkt mit Musikern zusammenzuarbeiten und durch additive Produktion dem ganzen mehr Wärme und analogen Touch zu verleihen, war es wichtig, einen Partner zu finden, der diese Arbeit auch finanziert. Während dieser langen Suche bin ich mehr oder weniger durch Zufall auf Mez gestoßen und entschloss mich kurzerhand, noch ein Projekt mit ihm zu machen – etwas, das nicht mit der LP zu tun hat und mich von meinem Frust ablenkt. Außerdem wollte ich etwas Lockeres machen, wo ich Zeilen zu Papier bringen konnte, ohne mir großartig Gedanken machen zu müssen. Nachdem ich hier kein Studio gefunden habe, das sich der Produktion annehmen konnte oder wollte, oder auch einfach nicht dem Standard entsprach, auf dem ich arbeiten wollte, ging ich nach Berlin, wo ich mit meinem Verleger nach Möglichkeiten gesucht habe. Dabei bin ich auf Kraans de Lutin gestoßen, der der Produktion auf das Level verholfen hat, auf der ich sie haben wollte. Das war 2004! Oliver Steger (Cafe Drechsler) bot mir dann an, meine Sachen auf Cracked Anegg raus zu bringen. Zusätzlich habe ich Freunde eingeladen, Remixes zu machen. Sie featured Remixe von Stereotyp (G-Stone), Circus, Sepalot (Blumentopf) und natürlich Brenk. Zusätzlich wurde es bei Buzz im Studio abgemischt. Ich bin wirklich zufrieden mit dem Ergebnis. HipHop und seine Grenzen Ich will nicht mehr nur strictly die HipHop-Leute bedienen, weil ich das in einem gewissen Sinne schon nicht mehr bin. Natürlich bin ich HipHop, aber ich muss es nicht in jedem Satz raushängen lassen, ich habe mehr zu bieten als nur das. Ich möchte nicht festwachsen, festwachsen müssen, weil Leute mich so sehen bzw. sehen wollen. HipHop ist mehr als sich ein fünf Nummern zu großes Baseballshirt anzuziehen, das scheinen einige hier noch immer nicht ganz kapiert zu haben. HipHop ist Ausdruck und der ist nicht nur individuell, sondern auch verschieden. Es geht hier um Musik und nicht um Stereotype oder Entsprechungszwänge irgendwelcher Nachwuchsgangster. Die bekommen HipHop frei haus geliefert, bekommen damit aber auch falsche Bilder vorgesetzt. Ein 50 weiß, woher alles kommt; bei den Jungs hier bin ich mir nicht so sicher. Ich will mich verändern dürfen und deshalb soll keiner sauer sein, wenn nach der LP etwas ganz anderes kommt. Es geht mir darum Einflüsse aufzunehmen und unter Umständen welche weitergeben zu können. Und ich will Spaß an meiner Arbeit haben. Auch noch in fünf Jahren.

Daniel Shaked – Mai 2006

0