Wiener Zeitung
Geistreiche Erinnerungsgefäße
Gina Schwarz setzt mit ihrem neuen, starken Album Kindheitserinnerungen ein Denkmal.
Wer ein Album als Hommage anlegt, schreibt dafür eher selten neue Musik. Nicht so Gina Schwarz: Die Kontrabassistin und Jazzkomponistin begeistert auf ihrem neuen Tonträger abermals mit Eigenkreationen zwischen Modern Jazz und gefinkelter Kammermusik, zollt dabei aber zugleich zwei Persönlichkeiten Tribut – zum einen dem schwermütigen Singer-Songwriter Nick Drake, der schon 1974 das Zeitliche segnete, zum anderen ihrem eigenen Vater, der leider ebenfalls verstorben ist: Das Begräbnis fand im Juli 2020 statt, direkt danach hat sich Schwarz an die Arbeit für das Album gemacht.
Ihre neuen Stücke könnte man Schreine der Erinnerung nennen: Die Titel verweisen oft auf Kindheitsanekdoten, die im Booklet beschrieben sind; die Musik selbst schlägt keinen nostalgischen Ton an, sondern feiert die Erinnerung durch erfindungsreiche Klangarchitekturen. Wie auf ihren jüngsten Alben lässt Schwarz das Kolorit eines Kammerensembles (hier ein Holzbläserquintett plus Rhythmusgruppe) in feinen Arrangements schillern und arbeitet mit trickreich treibenden Rhythmen. Komplexe, kantige Nummern halten sich dabei die Waage mit eingängigeren Stücken wie dem trauernden „Choral“: eine Empfehlung.
Christoph Irrgeher – 20.11.22